Die 2. Kammer des EuGH hatte sich in einem Vorabentscheidungsersuchen mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Tätigkeit in einer Arbeitnehmerorganisation (Amt des Vorsitzenden) u.a. von Artikel 3 Absatz 1 a der Richtlinie 2000/78 umfasst wird, sodass eine Regelung, dass nur Mitglieder, die am Wahltag das 60. Lebesjahr noch nicht vollendet haben, in das Amt des Vorsitzenden gewählt werden können, altersdiskrimierend ist.
In diesem Zusammenhang führt der EuGH aus, dass von dieser Richtlinie sowohl selbständige als auch unselbständige Erwerbstätigkeiten umfasst werden. Damit wird deutlich, dass sich der Geltungsbereich der genannten Richtlinie nicht nur auf Arbeitnehmer erstreckt, sondern auch auf Personen, die nicht nach Weisungen Leistungen erbringen. Das Amt des Vorsitzenden einer Gewerkschaft, um welches es in der konkreten Entscheidung ging, stellt eine tatsächliche und echte berufliche Tätigkeit dar, insbesondere weil es sich um eine Vollzeitätigkeit handelt, für die ein monatliches Gehalt gezahlt wird. An dieser Stelle spielt es auch keine Rolle, ob es sich möglicherweise bei diesem Amt um ein politisches Amt, so wie es die Arbeitnehmerorganisation vorgetragen hatte, handelt. Denn von Artikel 3 Absatz 1 a der Richtlinie 2000/78 werden sowohl öffentliche als auch Privatbereiche erfasst, und zwar unabhängig vom Tätigkeitsfeld. Da darüber hinaus auch grundsätzlich die sogenannte Vereinigungsfreiheit kein absolutes Recht darstellt und ihre Ausübung eingeschränkt werden darf, sofern die Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, der Wesensgehalt der Vereinigungsfreiheit beachtet wird, ebenso der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, bestehen keine Bedenken, die in der Arbeitnehmerorganisation vorhandene Regelung zur Altersgrenze in Bezug auf das Amt des Vorsitzenden für altersdiskrimierend und damit für rechtsunwirksam zu erklären.
EuGH, Urteil vom 02.06.2022 – C-587/20, InfoCuria