EuGH: HOAI-Mindestsätze im Rechtsstreit zwischen Privaten gültig?

In einem Vorabentscheidungsverfahren auf Antrag des BGH hatte der EuGH erneut über die Anwendbarkeit der (zwingenden) Mindestsätze beim Architektenhonorar zu entscheiden (Urteil vom 18.01.2022 – C-261/20, InfoCuria).

Seit der Entscheidung des EuGH vom 4. Juli 2019 steht fest, dass die in der HOAI 2013 verbindlich geregelten Mindest- und Höchstsätze gegen EU-Recht verstoßen. Der Verord­nungsgeber ist daher aufgerufen, eine europarechtskonforme Rechtslage zu schaffen, die u.a. auch eine Unterschreitung der Mindestsätze ermöglicht. Der Bundesgerichtshof hatte über ein Architektenhonorar in Höhe des Mindestsatzes zu entscheiden und dem EuGH die Frage vor­gelegt, ob die Entscheidung des EuGH unmittelbar auch im Rechtsstreit zwischen Privatper­sonen anzuwenden sei.

Die Antwort des EuGH lautet, dass die deutschen Gerichte im Zivilprozess nicht gezwungen sind, die HOAI in einer europarechtskonformen Weise auszulegen, wenn diese Auslegung der nationalen Vorschrift widerspricht, also gesetzeswidrig wäre. Eine „Auslegung“ der HOAI, wonach die zwingenden Mindestsätze doch unterschritten werden könnten, wäre danach ausgeschlossen. Demzufolge könnten die Zivilgerichte die Mindestsatzbestimmungen der HOAI weiterhin anwenden, solange sie nicht vom deutschen Gesetzgeber abgeschafft sind. Der EuGH stellt klar, dass die deutschen Gerichte jedoch nicht gehindert sind, die Mindest­satzvorschriften für unwirksam zu erklären, wenn es dafür Gründe nach deutschem Recht gibt. Außerdem weist der EuGH darauf hin, dass diejenige Partei, die durch die Anwendung einer europarechtswidrigen HOAI-Vorschrift einen Nachteil erleidet, einen Entschädigungs­anspruch gegen den Staat geltend machen kann, weil dieser den EU-Rechtsverstoß verursacht und nicht beseitigt hat.