Das „Reißverschlussverfahren“, eine vergiftete Norm

Das Reißverschlussverfahren sorgt bei vielen Autofahrern für Ärger. Einige ordnen sich bereits sehr frühzeitig auf den durchgehenden Fahrstreifen ein, andere fahren bis zum Ende des Fahrstreifens vor und wechseln unmittelbar vor dem Hindernis oder dem Wegfall ihrer Fahrspur auf den durchgehenden Fahrstreifen. Korrekt ist letzteres Verhalten. § 7 Abs. 4 StVO gibt vor, dass der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen ist, dass sich diese Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können.

Insoweit gehen einige Fahrzeugführer davon aus, dass sie diesbezüglich ein Recht haben, in jedem Fall nach dem Reißverschlussverfahren eingelassen zu werden. Jedoch handelt es sich bei dem Übergang auf den durchgehenden Fahrstreifen um einen Spurwechsel. Nach § 7 Abs. 5 StVO darf ein Spurwechsel nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Jeder Fahrstreifenwechsel ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen sowie der Fahrtrichtungsanzeiger (Blinker) zu benutzten.

Kommt es im örtlichen und zeitlichen Rahmen eines Spurwechsels zu einem Verkehrsunfall, so spricht unabhängig von der „Regelung“ des § 7 Abs. 4 StVO im konkreten Fall zunächst der Anscheinsbeweis gegen den Fahrer, der den Spurwechsel vollzogen hat, dass dieser den Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO nicht nachgekommen ist. In diesem Fall hätte der Spurwechselnde darzulegen und zu beweisen, dass dem Fahrer auf der durchgehenden Fahrbahn selbst ein konkretes Fehlverhalten anzulasten ist, was sich in der Realität häufig als schwierig gestaltet. Beispielhaft sah das OLG München mit Urteil vom 21.04.2017 (Aktenzeichen 10 U 4565/16) die alleinige Haftung beim Spurwechselnden, trotz Reißverschlussverfahren. Es bleibt nämlich nach Wertung des Gerichts auch in diesem Fall dabei, dass die Mitverantwortung des grundsätzlich bevorrechtigten Verkehrs auf der durchgehenden Fahrspur nur dann in Betracht kommt, wenn dieser die Gefahr konkret auf sich hat zukommen sehen und noch hätte unfallverhütend reagieren können. Auf Grund der obig dargestellten Anscheinshaftung ist aber der Spurwechsler für all diese Umstände darlegungs- und beweisbelastet. Dies bedeutet, dass wenn die konkreten Umstände des Falles sich nicht aufklären lassen, der Spurwechsler dieser Last nicht nachgekommen ist uns somit für den Unfall alleine haftet.

Man sollte sich somit auch im Rahmen des Reißverschlussverkehrs immer vergewissern, ob einem die Einfahrt auf die andere Fahrbahn ermöglicht wird. Im Zweifelsfall sollte man daher den Spurwechsel zurückstellen und auf die nächst Lücke warten, um hier kein unnötiges Haftungsrisiko einzugehen.